
Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) zu einer Frage der Arzthaftung
26.Feb..2024Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser!
In seiner Entscheidung 1Ob137/24i hatte der Oberste Gerichtshof (OGH) nachstehenden Sachverhalt zu beurteilen:
Der Kläger war mit 1,3 Promille alkoholisiert und traf am Abend einen alten Bekannten aus seiner Schulzeit (den Beklagten), machte sich über ihn lustig und provozierte diesen. Es entwickelte sich eine verbale Auseinandersetzung, bis der Kläger den Beklagten schließlich zu einem Faustkampf aufforderte. Der Kläger forderte den Beklagten ausdrücklich dazu auf, ihm ins Gesicht zu schlagen (!). In weiterer Folge schubste der Kläger den Beklagten und tippte ihm immer wieder gegen die Brust, wodurch er ihn zurückdrängte.
Der Beklagte forderte den Kläger mehrmals dazu auf, sich von ihm zu entfernen. Als der Kläger dieser Aufforderung nicht nachkam, sondern vielmehr mehrfach versuchte, dem Beklagten eine Ohrfeige zu geben, schlug der Beklagte dem Kläger mit der Faust ins Gesicht, was zunächst ohne Folgen blieb. Im Zuge der nicht aufhörenden Auseinandersetzung versuchte der Kläger erneut, den Beklagten zu schlagen. Der Beklagte entfernte sich vom Kläger einige Meter, wurde vom Kläger jedoch verfolgt. Daraufhin drehte sich der Beklagte plötzlich um und schlug dem Kläger mit der Faust ins Gesicht, wodurch der Kläger zu Boden fiel und eine Kieferhöhlenwandfraktur erlitt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren des Klägers auf Schmerzengeld ab, weil der Beklagte in Notwehr gehandelt habe. Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung jedoch ab und sprach mit Teilzwischenurteil aus, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Der OGH gab der Revision des Beklagten schließlich Folgend bestätigte das Ersturteil, wonach der Beklagte sehr wohl im Rahmen von gerechtfertigter Notwehr gehandelt hat.
Im vorliegenden Fall wurde die vom Berufungsgericht bejahte Notwehrüberschreitung daher verneint.
Diese Entscheidung setzt sich sehr detailliert mit den Grenzen von Notwehr und Notwehrüberschreitung auseinander und kommt im Ergebnis zu dem begrüßenswerten Schluss, dass aufgrund der Verhaltensweise des Klägers der Beklagte gar keine andere Möglichkeit hatte, als sich durch einen entsprechenden Faustschlag gegen die permanenten Angriffe des Klägers zur Wehr zu setzen. Der (zweite) Faustschlag des Beklagten gegen den Kläger, der durchaus eine schwere Körperverletzung im Sinne einer Kieferhöhlenwandfraktur zur Folge hatte, war daher durch Notwehr gerechtfertigt. Der Beklagte hat daher nicht rechtswidrig gehandelt und hat dem Kläger auch keinerlei Schadenersatz in Form von Schmerzengeld zu leisten.
Für Rückfragen oder Vertretungen in sämtlichen Haftungsfällen steht Ihnen meine Kanzlei gerne zur Verfügung.
Ihr Dr. Sacha Pajor